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Openair St. Gallen – Sittertobel St. Gallen – 03.07.2011

Das Openair St. Gallen steht ganz eindeutig auf der guten Seite der Macht. Das bereits 1977 gegründete Festival ist bis heute eine der charmantesten Veranstaltungen im gesamten Schweizer Festivaluniversum und kämpft verbittert gegen Mainstream Giganten. Vergeblich! Nachdem das Festival in den letzten Jahren am Existenzminimum kratzte und man beispielsweise die im vergangenen Jahr Foo Fighters an die zahlungspotentere Konkurrenz verlor, beugten sich die Openair-Macher 2011 dem Druck der Masse und verpflichteten mit Linkin Park eine Band von Blockbuster Format. Mit Erfolg: Am Samstag vermeldete das Festival den Ausverkauf. Diese gesamte Tirade soll indes keinesfalls als Kritik verstanden werden, tischte das Festival seinen Besuchern darüber hinaus (und insbesondere am Sonntag) eine ganze Horde an Liebhaberbands auf. Perlen for die Säue? – keinesfalls, dazu später mehr!

Das Festival an sich besitzt einen außergewöhnlichen Charakter. Es liegt irgendwie eingebettet im Sittertal und eigentlich noch direkt in St. Gallen. Gezeltet wird am Hand und rundherum und alles ist grün und am Eingang ist ein Bauernhof und die Viecher gucken blöd auf die Besucher und Besucher noch blöder zurück. Das ganze Gelände riecht nach Bier und Bauernhof. Großartig. Das Festivalgelände indes ist klein und verworren und voller Attraktionen, Überraschungen und Gimmicks. Hier könnten sich deutsche Festivalmacher wohl definitiv mal eine dicke Scheibe Charme abschneiden und aufs 08-15 Butterbrot legen.

The National: Wer Bedenken hatte die Formation um den sensationellen Frontmann Matt Berninger würde mittags um 14.30 nicht funktionieren, der bekam „eines Besseren“-Erkenntnis vor den Latz geknallt, die sich gewaschen hatte. Die Ohio-Allstars spielten einen innovativen, verspielten, sphärischen, charmanten, besoffenen und schiergar (gibt’s nicht im Hochdeutschen?) magischen Auftritt. Berninger hat gut einen im Tee und sich den Schädel bereits knallend rot verbrutzelt. Eine aus dem Publikum geschleuderte Tube Sonnencreme schafft Abhilfe – die Zahnbürste gibt’s gratis dazu. „Thank you, we live in a Bus.“ Dann torkelt er weiter, singt zum Dank seinen Fans ins Gesicht, schreit und knallt das Mikro auf den Boden und unternimmt direkt einen Ausflug durch die Menge. Eine Bläsertrio baut dazu einen kaum wahrnehmbaren aber tragenden Unterbau Unterbau. Dazu „Fake Empire“. Viel besser kann man so ein solches Nachmittagskonzert Konzert wohl kaum gestalten…

Warpaint: Wäre ich eine Frau und Rockstar und Mitglied bei Warpaint, ich würde wohl wöchentlich großspuriges Name-Dropping betreiben: „For Emily, Whenver I My Find Her“ singt John Frusciante nur für meine Bandkollegin, Conor Oberst liebt unsere Musik und hat uns am Southside auf die Bühne geholt, Josh Klinghofer von den Red Hot Chilli Peppers….“ usw. Warpaint jedenfalls sind die wohl abgefahrenste und anerkannteste Girlgroup der Popgeschichte. Unglaublich trippy, Strange, abartig abgehoben. Der dreistimmige Gesang steht im Zentrum und das ganze Gebilde ist Live ein bisschen mehr Rock´N´Roll und weniger melodisch entrückt. Das St. Gallen Publikum zeigt sich von seiner besten Seite und feiert die vier Ladys auf Sternenbühne (sprich: Im Zelt) mit frenetischen Jubel. Oha, denkt sich die Band und legt sich doch direkt noch ein bisschen mehr ins Zeug.

Beatsteaks: Die subjektive Bewertung muss aufgrund eines Mangels an Eindrücken leider entfallen. Die wenigen die es doch bis ins Kleinhirn und Kurzzeitgedächtnis geschafft haben, sind aber grundsolide und gewohnt spaßig (überlebensgroße Pogogummibäre stagedivend von der Bühne geballtert). Darüber hinaus wirkt Arnim (wie alle anderen Sonntag-Hauptbühnen-Frontmänner) gut besoffen. Die Backstage Minibar scheint es definitiv in sich zu haben.

Beirut: Zach Condon ist ein multikultureller Nerd. Soviel steht fest. Und ein Weltbürger und Wunderkind. Erbarmungslos presste er zunächst osteuropäische Orchestermythen und später französische Chansonkonstrukte durch seinen mit Trompeten und Akkordeon verzierten Indiefleischwolf. Das dabei entstandene Hackfleisch wiederum formte er mit bloßen Händen zu einer ganz neuen Anordnung wundervollster Musik. Beirut ist ein auf CD gebrannter Schmelztiegel, in dem sich Orient und Okzident vereinigen. Östlich. Europäisch. Amerikanisch. Wie die gleichnamige Stadt, die Hauptstadt des Libanons, das Paris des Ostens, in der man in jedem Stadtteil einen Big Mac vernichten kann.

Obwohl oder gerade weil Beirut aus dem CD-Spieler so großartig klingt, hatte Condons Formation lange Zeit den Ruf einer durchwachsenen Liveband inne. Am Openair St. Gallen ist davon allerdings mal so gar nichts zu hörem. Condons Stimme ist zwar zunächst ein wenig leise, klingt dann aber gewohnt leidend und belegt. Eigentlich funktioniert Beirut ja ohnehin besonders gut in den Instrumental-Momenten. Durch Pauken und Trompeten, Posaune und Tuba bläst die Band ihren Orchesterfolk in die Sternenbühne. Dort steht Mann an Mann ein untypisches Festivalpublikum. Herrlich euphorisch, zum richtigen Zeitpunkt leise, zum perfekten Zeitpunkt laut. Nur einmal kreischt mir ein Fangirl übereifrig den Instrumentalteil von „Postcards From Italy“ in die Ohrmuscheln – es sei ihr verziehen, schließlich singe ich ja selbst mit geschlossenen Augen. Dazu gibt es „Scenic World“ und „Elephant Gun“ und alles was man sich sonst noch so wünscht und zwischendurch jubelt uns Zach den ein oder anderen neuen Song unter. Erste Sahne. Zum Finale latschen noch die National-Bläser auf die Bühne und spielen zum engültigen, trompetualen Weltuntergang. Hallelujah!

Queens Of The Stone Age: Naja, es gibt keine Diskussion: Josh Homme ist der coolste Rockstar des Planeten. Vor wenigen Tagen zerpflückte er das Glastonbury-Festival im Vorbeigehen und auch der Sonntag des Openair St. Gallen bekommt ein finales QUOTSA-Brett über den Schädel gezogen. Das ganze geht zwar nur eine Stunde (immerhin eine halbe Stunde kürzer als geplant) und Josh meckert ein wenig über die scheinbar zu chilligen Schweizer – mir persönlich macht das aber aus nicht aus. Denn zum einen ist brühwarmes Wüstenwetter und zum anderen spielt Homme all seine eingängigen Hits von „Go With The Flow“ bis „Little Sister“ – wunderbare Festivalplaylist. Unbestrittenes Highlight ist dennoch „Make It With Chu“, die dahin gehauchte Stoner-Sommer-freie-Liebe-Bier-und-Kiffer-Hymne. Zack – noch Fragen?

Quelle Bandportraits (außer dem Berninger Titelbild): http://gallery.openairsg.ch/

Mehr Bilder vom Festival und Festivalgelände!


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